Früher war alles besser


Animiert zu diesen Gedankensplittern wurde ich durch zwei Artikel, „Ihr geschichtslosen Nassauer“ sowie „Und niemand hatte schuld“, die Anfang der 2000er Jahre im Netz kursierten und den Zeitraum 1950er bis 1970er Jahre mit den 1980er und 1990er Jahren verglichen: Dinge, über die nur wenige reden, die aber einigen sauer aufstoßen. Vieles, das einem das Leben schwer macht, betitelt man spontan mit den Gedanken „nur geträumt“, „schlechter Witz“ oder „das geht doch gar nicht“, also summa summarum: „das kann ja wohl nicht wahr sein“. Das Spektrum ist breit, und nahezu überall, wo ich reinpiekse, brennt die Luft.

Da fange ich doch mal mit etwas alltäglichem an, etwas, das mich des öfteren  stört und behindert und auf meiner Laune herumtritt. Wohlgemerkt streife ich die spontan hochgeploppten Themen nur exemplarisch. So mancher hat sicherlich wohl noch das eine oder andere zusätzliche auf Lager.

Bei den meisten gehört zu den lebensnotwendigen, unabdingbaren Accessoires neben Bett, Tisch Stuhl, TV und Kühlschrank das Handy. Bei mir ist es der Computer. Als Arbeitsgerät. Also dann … Was denken sich Programmierer dabei, für die Menüpunkte bei Word-Versionen ständig neue Bezeichnungen zu kreieren, die zunehmend keine Assoziation zum Inhalt mehr zulassen? Zu diesen Kreativmonstern kommen alle Jahre wieder diverse Gewinnspiele, die sich die Macher ausgedacht haben. Die Aufwärts-/Abwärtskompatibilität von Programmen resp. deren vermutlich oft absichtliche Vernachlässigung wurde schon Mitte der 1990er Jahre zum Kampfmittel und Zwang, ständig Neues zu kaufen. Hoppla, jetzt komm‘ ich … Du machst deine Buchhaltung digital? Ein simpler Stromausfall genügt, und du hast keinen Zugriff mehr auf deine Unterlagen. Und dann haben wir noch den Computer-Crash, die Viren, die Hacker, undundundundund …

Auch an der sprachlichen Verständigung wird vergeblich hart gearbeitet. Die Englisch-Deutsch-Übersetzungen bei Google werden immer schlechter und treiben mittlerweile skurrile Blüten. Sogar Namen von Musikgruppen, oft Slangausdrücke, werden ins Deutsche gezwungen, mit valentinesken Resultaten. In anderen Bereichen fehlt es noch ein wenig an Respekt. So fragt man bei der neu eingeführten Youtube-Werbung nicht einmal die Urheber, und die Nutzer schon gar nicht. Auch die GEMA-Vereinbarung hinsichtlich der Entlohnung der Urheber ist ein pekuniärer Witz. Und über allem schwebt der Geist von „Kilroy“.

Mit dem Anwachsen der Digitalisierung nimmt der Datenmißbrauch jedweder Form exponentiell und unkontrollierbar zu. Leute, macht es euch mal klar; seit Anbeginn der Zeiten war das Verbrechen der Verfolgung und Bestrafung immer eine Nasenlänge voraus. Warum sollte das hier und jetzt anders sein? Solange sich die sozialen Gegebenheiten nicht ändern, tut sich auch in diesem Bereich nichts. Das war tatsächlich auch die Überzeugung des damaligen BKA-Chefs und Bader-Meinhof-Jägers Horst Herold; ein plötzlich vom Licht der Erkenntnis durchfluteter Analytiker und Technikrat, der aber auch zur Optimierung seiner Fanhdungsarbeit den „gläsernen Bürger“ erschaffen wollte. Nichts Neues an sich, denn die Idee der totalen Überwachung und Kontrolle gebar bereits Ende des 18. Jahrhunderts der französische Polizeiminister Joseph Fouche. Und generell kann das nicht oft genug gesagt werden: Gefängnis ist die Strafe für die Bestraften der Gesellschaft, die „Weißkragentäter“ mal überwiegend ausgenommen. In diesem Zusammenhang ist auch schon seit langem der Schutz der Persönlichkeit nicht mehr gewährleistet. Woher haben Anrufer oder Fax- und E-Mail-Anbieter, die dir günstige Angebote, Preisausschreibengewinne und sonstiges schmackhaft offerieren, denn deine Daten? Der Handel mit Informationen ist das Geschäft der Gegenwart und Zukunft.

Einen Anrufbeantworter hat jede kleine Klitsche. Man landet zunächst so gut wie immer und überall auf demselben. Immer wieder gern genommen die Ansage, vor allem, wenn man um die ein bis zwei Angestellten weiß: „Unsere Mitarbeiter sind alle im Kundengespräch“. Und der Hinweis auf die tollen Angebote im Internet interessiert vor allem die alten Leute ohne Computer brennend. Die Erlaubnis für eine mittlerweile fast gängige Gesprächsaufzeichnung sollte höflicherweise so abgefragt werden, daß um Zustimmung gebeten wird und nicht um Ablehnung.

Das folgende erinnert an das wohlige Gefühl, das man hat, wenn man von einer stabilen, festen Straße auf einen Feldweg mit Schlaglöchern abbiegt. Die Umstellung des Festnetzes auf das Internet führt dazu, daß du bei Netzausfall auch kein Telefon mehr hast!  Das macht sich dann in Notfällen besonders gut. Seit einigen Jahren zunehmend fliegt man auch einfach mal aus der Leitung. Früher gab es keine Störungen dieser Art. Für einen Totalausfall kam damals nur in Frage, daß das Haus des Postministers abgebrannt oder der Hamster der Schwester mal wieder ausgebüchst war. Es kam höchstens, und das nicht sehr oft, ein Besetztzeichen. Heute wird das „tuut tuut tuut“ durch den Sprechdurchfall in der Warteschleife reichlich ersetzt. Und nicht nur für fachlich Vorbelastete sind die musikalischen, oft schlecht zusammengeschnittenen Erbauungssequenzen eine schlichte Folter.

Wenn Emil Faxen macht, ist man versucht, Parallelen zu ziehen, jedenfalls, so lange es paßt. Und das tut es nicht lange, nicht über den ersten Schritt hinaus, nämlich schreiben und ausdrucken. Das muß man sowieso für seine Akten. Ein Fax geht gleich weg, da braucht es nur die Nummer, während E-Mail bedeutet: Adressaten raussuchen (oft mehr als ein sog. Account), Anhang finden und anhängen. Es folgt die mögliche Inkompatibilität der Rechner, der Betriebsprogramme und dem entsprechend der Mail-Programmversionen sowie der Versionen des Anhangformats. Besonders schön ist auch die sich mehrende unbemerkte Abwanderung in den Spamordner. Fax ist in der ganzen Welt kompatibel: nur die Nummer, starten, fertig. Manchmal kommt dir auch Microsoft noch quer, das, gerade, wenn du es eilig hast, mal eben eine halbe Stunde lang 27.000 Windows-Updates rüberschieben muß.

Solange man nicht „Streaming“-Dienste in Anspruch nimmt, deren Server einen Energieverbrauch haben, der für ganze Stadtteile reichen würde, bedient man sich des Herkömmlichen, das jedoch eine nahezu unbeschreibliche Wandlung durchlitten hat. Schon in den 1980er Jahren verfiel man darauf, im Radio und im Fernsehen die Werbung um ca ein Drittel lauter auszustrahlen, ohne daß das Lärmschutzgesetz oder die Persönlichkeitsrechte in Mitleidenschaft gezogen wurden. Es war demnach erlaubt. Der Trick war, den Klang breiter (wide range) zu machen; es wurde lauter, ohne daß sich die gesetzlich zulässige Dezibelzahl erhöhte. Ebenfalls gab es in der 1980 Jahren noch die Hoffnung, daß die zunehmende TV-Werbung besonders während der Filme nicht auch auf die staalichen Sendeanstalten überschwappte. Nicht lange, aber ein paar Jährchen waren es immerhin. Die neueste, seit Monaten stetig zunehmende Zumutung sind Einblendungen in laufende Spielfilme und andere Sendungen, die kommende Beiträge bewerben sollen und oft nicht nur so großflächig sind, daß sie einen Teil des Bildes verdecken, sondern meist auch noch bewegt daherkommen. Die kurze Irritation des Zuschauers, ob das zur laufenden Handlung gehört, wird als Kollateralschaden in Kauf genommen; eine verächtliche Geringschätzung des Publikums sondergleichen und exemplarisch für die moralische Verkommenheit der „Kulturmacher“!

Seit einiger Zeit nehmen als „Doku Soaps“ präsentierte serienähnliche Produktionen einen immer breiteren Raum ein, und zwar geklumpt, d.h. am laufenden Band bis zu 8 Stunden. Es gab und gibt u.a. – am Stück! – 6 Stunden „Shopping Queen“, 4-5 Stunden „Schnäppchenjäger“ und in ähnlichem Ausmaß Polizei- und Anwaltsserien.  Die mittlerweile Unzahl von Koch- und Backsendungen sind besser gestreut, dafür aber mindestens so häufig und über alle (!) Sender gut verteilt. Auch hatten wir so etwas wie eine 12-Stunden-Bud Spencer/Terence Hill-Bescherung, dito „Police Academy“ sowie „Matrix“ am Stück, „Indiana Jones“ kompakt u.v.m. Den Spitzenplatz belegten dann zu Sylvester 2021 „Joko & Claas gegen Pro7“ mit 13 Stunden. Unschlagbar? Weit gefehlt! Am selben Tag legten Bud Spencer/Terence Hill mit 9 Stunden nach und gewannen dann Neujahr 2022 mit 13,5 Stunden ihre Führungsposition zurück. Das ist wohl nicht mehr zu überbieten. Na, mal abwarten …

Vor nichts wird Halt gemacht, um Phantasie zu verkaufen. Tatsächlich gab es schon immer gute und schlechte Märchenfilme. Seit mindestens den 1990er Jahren kamen immer mehr Kunstprodukte auf, die das Genre nunmehr komplett verbogen. Märchen und Sagen sind Geschichte in ihrer eigenen Dimension. Was da mit den Rittern der Tafelrunde, den Nibelungen und den Gebrüdern Grimm an Schindluder getrieben wurde, verfälschte diese Tradition im Bewußtsein der neuen Generationen nach X-Belieben. Bei den selbstgestrickten (Science-) Fantasy-Filmen geht dann alles; da paßt auch die Bibel mit Zombies und Laserpistolen zusammen. Warum Helden und Antihelden in Weltraumszenarien mit Schwertern und Messern kämpfen, obwohl sie hypermoderne Technik zur Verfügung haben und zum großen Teil telekinetisch vorbelastet sind, ist mir ein Rätsel. Ich bitte um Aufklärung. Spannend wäre es doch, angesichts der mentalen Kräfte mal einen Karatekampf mit fünf Metern Abstand zu zeigen. Aber zu den schlechten Filmen später. Die wären allesamt bei „Schlefaz“ gut aufgehoben – das man dann absetzen sollte. Eine Schande für „Tele 5“, und auch noch im Hauptprogramm!

Die Zeit der Action-Dunkelfilme begann meines Erachtens mit „Blade Runner“. Bei den neueren Produktionen seit ca den 1990er Jahren, die offensichtlich sämtlich im lichtlosen Tunnel gedreht wurden, kommen einige Fragen auf: waren die Action-Choreogrphie zu schlecht, die Darsteller zu fade oder ganz einfach das Produktionsbudget für die Stromkosten erschöpft? Manchmal sieht man gar nicht mehr, wer gewinnt und wie. Aber das steht ja im Drehbuch. Frühere Produktionen ließen einen in anderer Weise lächeln. Helles Sonnenlicht ohne Schatten geht nämlich eigentlich nicht. Man roch förmlich die Jupiter-Scheinwerfer. Aber man hat wenigstens etwas gesehen! Heute sucht man oft nur im Schatten und fragt sich, wo das Licht abgeblieben ist. Vielleicht am Ende des Tunnels? Aber das ist meist nur der audiovisuelle Zug, der auf dich zurast und dich überrollt. Sicherlich ebenfalls aus Kostengründen stammen die Kulissen oft vom Discounter, und für die wacklige Bildführung griff man wahrscheinlich auf parkinsonkranke, weil billigere Kameraleute zurück, verkaufte das dann aber als Mittel zur Spannungssteigerung. Zusammen mit den neuerdings irrsinnig schnellen Schnitten, für die wohl auch nicht jeder Verständnis hat, landete die optische Wahrnehmung schließlich weit jenseits des Nystagmus. Die Banalität der Stories und Dialoge ist oft nicht zu überbieten. Das spielt jedoch dem allgemeinen Bildungsstand in die Karten, der schon bei vielen Fünftklässlern die Unfähigkeit konstatiert, auch einfache, kurze Texte wiedergeben zu können. Dem kommt entgegen, daß die Lautstärke der akustischen Effekte und der Musik im Verhältnis zum gesprochenen Wort so drastisch zugenommen hat, daß oft kaum noch etwas zu verstehen und die Handlung somit eh nicht mehr zu verfolgen ist. Wenn aber „Bumm“, „Chrash“ und „Biltz“ wichtiger sind, spielt das keine Rolle mehr.

Damit sind wir beim Wesentlichen, dem Zwischenmenschlichen, der Kommunikation, dem Individuum, dem Punkt. wo alles mündet.

Die blindwütigen Bestrebungen zur Beseitigung von tradierten Begriffen im Zuge der Anti-Diskriminierungswelle stellt häufig eine Umschreibung der Geschichte dar. „Querdenker“ war immer schon ein ehrenwertes Attribut und wurde nicht so wie heute mal kurz ausgeliehen, einfach draufgepappt und als Schimpfwort verunglimpft. Wer eine Torte mit drei Schnitten in acht Stücke teilen will, muß querdenken. Eine Begriffsverfälschung; genuin nicht von „sich querstellen“ mit dem Flair „Quertreiber“, sondern von „querfeldein denken“, „durch alle Dimensionen“, „unkonventionelles Herangehen“ oder „anderer Blickwinkel“. 

„Mohr“ war eine ehrenvolle Bezeichnung für Blackies aus dem „Morgenland“. Heißt es jetzt bei Shakespeare/Verdi „Der Andersfarbige von Venedig“ und „Der Andersfarbige hat seine Schuldigkeit getan“? Sing das mal … Neger ist (nach dem lateinischen „nigro“, „niger“) das richtige, aber vor allem historisch gewachsene Wort. Man muß es nicht benutzen, weil es ebenfalls als Schimpfwort verkam, man darf es aber auch nicht einfach aus dem Bewußtsein der Gesellschaft löschen. Was machen jetzt die drei Ortschaften Ober-, Mittel- und Unterneger an der sauerländischen Biggetalsperre? Müssen die ran? „Oberandersfarbige“? Oder ist Neger nicht so schlimm wie „Mohr“? Das ist offensichtlich der Standpunkt der westfälischen Grünen.

Was geschieht jetzt mit dem „Zigeunerbaron“ oder der Zigeunerin in Verdis „Troubadour“? Nun, wir haben Sinti und Roma. Aber wer kriegt den guten, und wer den bösen Menschen? Neue Konflikte bahnen sich da an. Alexandra kann wegen dauerhafter Unpäßlichkeit den „Zigeunerjungen“ auch nicht mehr politisch korrekt einsingen. Und „Zigeunersauce“ war bei Pommes schon immer die bessere Wahl statt Mayonnaise. Das Wort hat niemand als defätistisch empfunden, und die Kreation enthielt auch keine geraubten und kleingehackten Kinder. Es klang und schmeckte einfach nach Ungarn, Puszta und Paprika.

Tradiert und eben Geschichte sind auch Schlitzauge, Gelber (Chinesen, Bewohner von Spanisch-Sahara), Langnase (chinesisch für Weißer), Rothaut (Weiße zu Indianern), Bleichgesicht (Indianer zu Weißen), Weißbrot (Blackies zu Weißen), Kanake, Kaffer, Hottentotte, Fitschi (DDR-Jargon für Vietnamesen) etc. Und der bei Jugendlichen gängige Begriff „Abziehen“ bleibt immer noch „räuberische Erpressung“. Das sollte man auch so nennen.

Vor wirklich gesellschaftlich relevanten Begriffskorrekturen scheut man sich nach wie vor. Ein Mensch arbeitet und wird dafür entlohnt. Ein Unternehmer nimmt Arbeit in Anspruch und zahlt dafür. Wer ist nun Geber, und wer Nehmer? Die Auswirkung? Die falsche Zuordnung suggerierte schon immer die Großzügigkeit des Chefs gegenüber dem Arbeiter, der für diese Gnade dankbar zu sein hatte.

Das Hitler-Regime war dem römischen Faschismus wohl eher nahe als dem Sozialismus in seinem Grundgedanken. Aber niemand sagt „Nationalfaschismus“. Wie verunglimpfend und falsch ist denn das?

Sie haben uns das „ß“ weggenommen und uns das Basssaxofon und auch die Schifffahrt eingebrockt. Man muß nicht mit drei, aber man darf! Nimm mal den Franzosen die Akzente weg. Es gäbe eine zweite französische Revolution. Und was sollen die Unmengen von Anglizismen? Unsere Sprache ist weit nuancierter.

Es ist heute kaum noch möglich, jemanden zu kritisieren, ohne daß er tödlich beleidigt ist oder agressiv wird. Das Unzuverlässigkeits-Syndrom (ein Wort gilt nicht mehr) und die Pixel-Seuche sind bereits anderweitig beschrieben. Dies alles und noch viel mehr ist so kraß geworden, daß man schon ganz leise an eine Genmutation denkt. Auch der Stand des Allgemein(nicht)wissens und-Könnens ist erschreckend. Selbst bei Bankangestellten im Telefondienst, bei denen man ja eine gewisse Bildung voraussetzen sollte, habe ich es erlebt, daß sie meinen Namen auch nach dreimaligem Lesen nicht richtig aussprechen konnten. Aber mann muß ja nach vorn denken, koste es, was es wolle.

Im Herbst 2021 präsentierte Mark Zuckerberg mit einer weiterentwickelten 3 D-Brille die aktuelle „ultima ratio“ der Videospielentwicklung. Man war und bewegte sich jetzt mittendrin; wohl angesichts der seit Jahren anwachsenden Computerspielsucht die bis dato ultimative Perfektionierung der Möglichkeiten zur Realitätsflucht. Ähnliches haben schon die SF-Autoren seit den 1940er Jahren beschrieben. Damals konnte man darüber lächeln. Und heute? Die Jungs und Mädels brauchen sich nicht mehr dem „IS“ anzuschließen. Das haben sie jetzt auch zu Hause, … immerhin ein positiver Aspekt. Wenn das Lustzentrum einer Maus oder Ratte elektrisch stimuliert wird, vergißt sie zu fressen und drückt die auslösende Taste so lange, bis sie verhungert. Ich bitte dies als eine Beinahe-Methaper zu sehen. Aber soziale und seelische Deprivation führen auch zum Hungertod; einer anderen Art zwar, aber ebenso letal. Elektroden am oder im menschlichen Gehirn werden solche Gerätschaften bald überflüssig machen. Bald. Die alte offene Frage bleibt bestehen, ob sich die Wissenschaft von den überbordenden Einfällen der phantastischen Literatur inspirieren läßt oder die SF-Autoren die wissenschaftlichen Möglichkeiten und Entwicklungen grenzenlos vorausspinnen. Nicht nur aus diesem Blickwinkel betrachtet kann niemand mehr ernsthaft auf dem alten Irrglauben beharren, Wissenschaft sei unpolitisch.

Aldous Huxley läßt schön grüßen und wäre insgesamt zufrieden. Und mein alter Kumpel Butschi hat ja so recht. Der Titel seines neuen Buches lautet „Je älter ich werde, desto komischer werden die anderen“.

Kommt dir das alles bekannt vor? Schwillt dir der Kamm? Warum schweigst du dann?

(November/Dezember 2021)

Epilog

Ich bin froh, heute nicht mehr jung sein zu müssen. Engagement, Kampfgeist und Solidarität sind komplett abhanden gekommen. Alles verschwindet in Egoismus und grenzenlosem Desinteresse. Die 2021 aktuelle Warnung vor einer Diktatur ist vollkommen obsolet. Sie ist bereits in den Köpfen der Herde fest installiert. Frei nach Eugen Kogon: „Der neue Faschismus kommt nicht im Gewand des alten“.

Eingedenk dessen kann ich Butschis Spruch auch getrost hinter mir lassen. „Die Leute werden sowieso und schon lange blöder. Dazu muß ich nicht älter werden“.